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Jonas Blondal - Titel
 


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Themen-Index
Hier gelangen Sie direkt zu den folgenden Unterthemen:
  1. Die Bedeutung des Wals  
  2. Die Anfänge  
  3. Grönlandfahrt,
    Baien- und Eisfischerei
 
  4. Die Jagd auf Döglinge  
   
 


Wale sind äußerst intelligent.
Buckelwale (oben) setzen zum
Beutefang selbst erzeugte „Netze”
aus Luftblasen ein. Pottwale haben
das größte Gehirn im gesamten
Tierreich. Vermutlich sind einige
Walarten sogar in der Lage, mithilfe
von Schallwellen Art und Dicke von
Eisschichten festzustellen, die auf
dem Wasser schwimmen.
In früheren Zeiten wurden diese
Meeressäuger wegen ihrer
Friedfertigkeit oft unterschätzt:
„[Der Grönlandwal ist] ... wegen
seiner Ungeschicklichkeit und
Tummigkeit am besten zu fangen”,
ist in einer historischen
Aufzeichnung zu lesen. „Denn diß
Thier ist so ungeschickt als groß
und stark es ist.”

 
 


Harpunen-Design:
Für lange Zeit
war die ›doppelflügige Barthapune‹ (A) das gängige Fanggerät für Wale. Ab 1840 kam die ›einflügige‹ Variante (B) in Gebrauch, weil sie leichter in den Speck eindrang und besser hielt. 1848 wurde der ›Spannnagel‹ (C) erfunden, dessen bewegliche Spitze sich unter Zuglast quer stellte und damit zu einem wirkungsvollen Widerhaken wurde. Durch solche Harpunen allein wurde das Beutetier nie getötet. Sie dienten lediglich dazu, den Wal am Fangboot ›festzumachen‹ – und ihn dadurch zu ermüden. Erst durch gezielte Stiche mit der ›Stoßlanze‹ (D) wurde der Tod herbeigeführt. Die schmiedeeisernen Teile wurden im Todeskampf teils stark verbogen, brachen aber nur selten ab. Meist ließen sie sich wieder zurechtbiegen

 
 


Viele Techniken
im historischen
Walfang waren Errungenschaften der Basken – wie beispielsweise der Einsatz von ›Schaluppen‹: kleinen, wendigen Booten, deren Rumpf auf beiden Seiten spitz zulief. Mit ihnen war es möglich, die Wale aus nächster Nähe zu harpunieren

 
 


Die ›Grönlandfahrt‹:
Für rund
300 Jahre waren die Barentssee und umliegende Gewässer Schauplatz des europäischen Arktiswalfangs. Gut ausgebildete Seefahrer von den Friesischen Inseln stellten einen großen Teil der Schiffsbesatzungen

 
 

Naturschönheiten mit Tücke:
Treibende Eismassen konnten für die Walfänger schnell zu einer Gefahr werden. Nicht selten wurden Schiffe im Packeis eingeschlossen und regelrecht zermalmt. Allein im Unglücksjahr 1777 gingen um die 200 Fangschiffe im Eis verloren

 
 

Der Grönlandwal ist im Gegensatz
zum Kaperwal ausschließlich auf der Nordhalbkugel zu finden. Er kann Atemlöcher in bis zu 30 Zentimeter dickes Eis brechen. Schulen dieser Tiere bestehen im Herbst aus bis zu 50 Tieren. Schätzungen zufolge gibt es weltweit noch einen Bestand von rund 10 000 Grönlandwalen

 

Wann der Mensch mit der Jagd auf Wale begann, weiß heute wohl niemand mehr ganz genau. Zahlreiche Funde aus der Vergangenheit lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass die Anfänge des Walfangs bereits Jahrtausende zurückliegen – lange, bevor schriftliche Aufzeichnungen darüber geführt wurden.


In Skandinavien sind diverse Felszeichnungen entdeckt worden, die Abbildungen von Kleinwalen zeigen. Historische Belege für den Walfang in der Frühgeschichte finden sich auch in anderen Teilen der Welt – zum Beispiel in Korea, Japan, Nordamerika oder Sibirien.

Doch selbst wenn nicht für jedes in Frage kommende Gebiet ein archäologischer Nachweis für den Walfang erbracht werden kann: Es ist anzunehmen, dass Menschen von jeher überall dort, wo sie mit Walen in Berührung kamen, auch „Verwendung” für diese außergewöhnlichen Tiere fanden – sofern sich entsprechende Möglichkeiten zum Fang boten.

Angesichts des Alters und Umfangs ihrer Geschichte kann die Jagd auf Wale hier unmöglich erschöpfend dokumentiert werden. Die vorliegende Abhandlung über den historischen Walfang hat daher nicht den Anspruch, umfassend zu informieren. Sie ist allenfalls eine Zusammenfassung der geschichtlichen Eckdaten und konzentriert sich zudem auf die Entwicklungen in Nordwest-Europa. Der amerikanisch-europäische Walfang ab dem Ende des 14. Jahrhunderts wird daher an dieser Stelle nicht behandelt. (Lesern mit größerem Wissensdurst sei ein Blick in die Auflistung interessanter Fachbücher unter dem Menüpunkt Thema Walfangweiterführende Literatur empfohlen.)


1. Die Bedeutung des Wals 

Nicht immer hatte Walfang etwas mit Harpunen, Seilen und Booten zu tun. Schon bevor sich solch ausgeklügelte Fangmethoden ethablierten, wurden Wale auf primitivere Weise erbeutet: mit vergifteten Speerspitzen, mit Netzen und – als „bequemere” Varianten – indem man zufällig gestrandete Exemplare verwertete oder Tiere fing, die sich in flache Gewässer verirrt hatten.

Dass der Wal als Fangobjekt von jeher begehrt war, ist gut nachzuvollziehen, konnte doch fast jeder Teil der Beute verwertet werden. Das Fleisch und Fett dienten als energiereiche Nahrung, der Tran eignete sich als Brennstoff, die Barten (das ›Fischbein‹) als elastischer Grundstoff für diverse Produkte, die Knochen als stabiles Baumaterial. Hinzu kommt, dass bereits ein einziges Beutetier riesige Mengen dieser Rohstoffe lieferte.
Zur Verdeutlichung sei als Beispiel der Blauwal genannt, auch wenn man erst verhältnismäßig spät begann, diese größte Walart zu jagen: Ein Blauwal-Weibchen kann bis zu 33 Meter lang und 150 Tonnen schwer werden. Das entspricht dem Gewicht von 25 bis 30 ausgewachsenen Afrikanischen Elefanten, rund 250 Rindern oder ungefähr 2000 Menschen. Allein der Speck eines solchen Wals würde bereits mehr Fett liefern als die in einem Jahr anfallende Milch von 250 Kühen.
Auch wenn die Körpermaße in diesem Beispiel die Obergrenze markieren: Angesichts solcher oder ähnlicher Zahlen ist es kein Wunder, dass es oft als Geschenk des Himmels angesehen wurde, wenn größere Tiere in der Nähe menschlicher Siedlungen strandeten. Ohne Frage sind Wale schon immer eine „fette Beute” gewesen.


2. Die Anfänge 

Wahrscheinlich gehörten die Bewohner Lapplands zu den ersten Völkern Europas, die im größeren Stil Jagd auf Wale machten – noch vor den Wikingern. Die Wikingerzeit, die Ausbreitung der Normannen, wird auf das 9.–11. Jahrhundert u.Z. datiert. Gegen Ende dieser Periode verlor der Walfang in Skandinavien und in den Küstenregionen der Nordsee immer mehr an Bedeutung, während sich im südlichen Europa neue Zentren des Walfangs bildeten. Besonders im spanischen und französischen Baskenland erblühte dieses Geschäft. Bald schon wurde die französische Stadt Bayonne am Fuße der Pyrenäen zu einem der wichtigsten Umschlagsplätze für Walfleisch. Das spanische San Sebasián und andere Orte erlebten ähnliche Entwicklungen.

Der Golf von Biskaya war ausgesprochen guter Fanggrund. Im Verauf ihrer Wanderungen verbrachten vor allem Nordkaper-Wale (auch Biskayawale genannt) die kalte Jahreszeit in der Biskaya. Doch für diese Glattwale war es weitaus leichter, in die Bucht hineinzuschwimmen als wieder hinaus: Ständig verbesserte Fangtechniken verhalfen den Basken zu so großen Erfolgen, dass die Nordkaperbestände in der Biskaya bereits Anfang des 11. Jahrhunderts erheblich dezimiert waren. Weil damit die Erträge in Küstennähe zurückgingen, mussten immer neue und entferntere Fanggründe erschlossen werden. Im Zuge dessen überquerten baskische Walfänger Mitte des 16. Jahrhunderts den Atlantik und nahmen die Jagd vor der nordamerikanischen Küste auf.

Etwa zur selben Zeit dehnten sich ihre Bemühungen auch innerhalb Europas, insbesondere in Richtung Norden, aus. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts waren baskische Walfänger auch in den Westfjorden Islands anwesend. Hier, in der europäischen Arktis, waren schließlich Schiffe aller namhaften Walfang-Nationen anzutreffen: Norweger, Engländer, Franzosen, Holländer, Spanier und auch Deutsche. Doch wenngleich die europäischen Nachbarn zunehmend in dieses Geschäft drängten – in Sachen Fangmethodik, Erfahrung und Fachwissen blieben die Basken noch für lange Zeit die unangefochtenen Lehrmeister.


3. Grönlandfahrt, Baien- und Eisfischerei 

Holländische Endeckungsfahrten leiteten den nächsten bedeutenden Abschnitt in der Geschichte des europäischen Walfangs ein.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts unterlagen die südlichen Seewege in den Fernen Osten der Aufsicht Portugals und Spaniens. Um ihrer Kontrolle entgehen zu können, intensivierten sowohl englische als auch holländische Seefahrer die Suche nach einer alternativen, nördlichen Route, der sogenannten ›Nordostpassage‹. Zwar blieb die Suche nach einem Weg durch das Eismeer erfolglos, doch machten holländische Expeditionsreisende eine andere lohnende Entdeckung: dass es in den polaren Gewässern um Spitzbergen von Walen und Walrossen nur so wimmelte.
Nach einer unfreiwilligen Überwinterung auf Nowaja Semlja und ihrer Rückkehr im Jahre 1597 brachten die Seefahrer die Nachricht von den reichen Fanggründen schließlich nach Europa.

Einige Jahre danach, ab 1611/12, erschienen die ersten Fangschiffe englischer und holländischer Herkunft vor den Küsten Spitzbergens und läuteten damit die Epoche der sogenannten ›Grönlandfahrt‹ ein. Auch wenn sich diese Namensgebung schon bald ethablierte, beruhte sie auf einem Irrtum: Der holländische Entdecker Willem Barents hatte Spitzbergen falsch zugeordnet und für die Ostküste Grönlands gehalten. Die Region, in der die ›Grönlandfahrer‹ ihre Beute jagten, reichte vom heutigen europäischen Nordmeer über die Grönlandsee bis zur Barentssee – vom norwegischen Jan Mayen bis nach Spitzbergen.

Die wohl berühmteste Walfangstation mit insgesamt acht Siedereien war das 1619 gegründete Smeerenburg auf der Amsterdam-Insel im Nord-Westen Spitzbergens. Gut 40 Jahre lang arbeiteten hier vorwiegend holländische Walfänger, Küfer und Trankocher – in guten Zeiten mehrere Hundert Mann.

Da sich viele der Wale in Küstennähe, und hier in den Buchten (den ›Baien‹), aufhielten, konnte der Bedarf für einige Zeit durch reine ›Baienfischerei‹ gedeckt werden. Doch die Bestände in den Buchten dezimierten sich rasch, und so mussten Fang und Verarbeitung der Wale zunehmend auf die offene See verlegt werden. Die Zeit der ›Eis- und Seefischerei‹ begann. Fernab der Küste mussten Fang- und Verarbeitungsmethoden den veränderten Gegebenheiten angepasst werden. Aufgrund der großen Entfernung zu den Transiedereien an Land wurde der Speck der Beutetiere nun bereits an Bord in Fässer eingelagert. Dazu wurde das Tier an der Längsseite des Schiffes vertäut und dann ›geflenst‹, d.h. die dicke Speckschicht wurde mit Hilfe von Seilwinden streifenweise abgezogen und an Deck kleingeschnitten.

Im historischen arktischen Walfang waren sowohl der Grönlandwal (balaena mysticetus) als auch der sogenannte Nordkaper (eubalaena glacialis glacialis) die begehrtesten Fangobjekte. Beide Arten weisen Merkmale auf, die sie zu einer wertvollen und verhältnismäßig leichten Beute machten: Von großem und stämmigem Körperbau, sind sie langsame Schwimmer (zwischen fünf und zehn Stundenkilometer), sie haben eine besonders mächtige Speckschicht, unter allen Walen mit bis zu vier Metern die längsten Barten (›Fischbein‹) und – am wichtigsten überhaupt – ihre Kadaver schwimmen an der Wasseroberfläche. Besonders das letztgenannte Merkmal verhalf dem Kaperwal zu seinem Beinamen ›right whale‹ und war von großer Bedeutung, da ein totes aber eben schwimmendes Tier leichter zu bergen war. Erst mit dem Aufkommen modernerer Fangtechniken Mitte des 19. Jahrhunderts weiteten sich die Fangbemühungen auch auf die schnelleren Furchenwale aus (siehe hierzu auch unter Thema WalfangWalfang heuteDie Erfindung der Harpunenkanone).

Die Zeit der ›Grönlandfahrt‹ dauerte bis ins 20. Jahrhundert an, genauer bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs. Somit erstreckte sich diese Epoche des europäischen Walfangs ziemlich genau über drei Jahrhunderte. Tonangebend waren in dieser Zeit ohne Frage holländische und englische Walfänger. Doch auch die Flotten anderer Nationen hatten einen nennenswerten Anteil am Geschehen im Eismeer: neben Franzosen und Dänen sogar die Schiffe Hamburger und Altonaer Reeder – zumeist mit friesischer Besatzung. Im Jahre 1836 stachen die letzten Altonaer ›Grönlandfahrer‹ in See.

Auf Island stand der Walfang lange Zeit unter Fremdverwaltung. Norweger gründeten 1880 die erste Walfangstation auf der Insel. In ähnlicher Weise ließen sich bald auch Gesellschaften aus Deutschland, Frankreich und anderen Ländern nieder. Die Isländer selbst führten ihre erste eigene Walfangstation erst ab 1930.


4. Die Jagd auf Döglinge 

Mit dem Aufkommen von Harpunenkanonen und Dampfschiffen änderte sich Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur die Technik des Walfangs. Auch das Spektrum der zu erbeutenden Arten erweiterte sich beträchtlich. Musste man bis dahin wegen der Trägheit der Großsegler auf kleine Ruderboote (›Schaluppen‹) zurückgreifen, um den Walen nachzustellen, war es nun möglich, direkt vom Fangschiff aus zu harpunieren – zum einen, weil die geschossenen Harpunen jetzt ausreichende Reichweite hatten, zum anderen, weil die Dampfschiffe selbst windunabhängig und damit wendiger waren als Segelschiffe (siehe auch unter über die GeschichteBotschaft des Comics die Zeit der Dampfsegler).

Die Kombination dieser technischen Neuerungen verlieh den Walfängern die Fähigkeit, fortan auch solche Walarten zu schießen, die bis dahin wegen ihrer Schnelligkeit weitestgehend verschont geblieben waren: Furchenwale wie etwa Buckelwale, Sei-, Blau- und Finnwale. Oder Döglinge.

Zwar nimmt die Jagd auf Döglinge einen untergeordneten Platz in der Geschichte des Walfangs ein, dennoch ist diese rund vierzigjährige Phase von Bedeutung: Hier wurden Harpunenkanonen erstmals in großem Stil für den Fang von Walen eingesetzt.
In den 1880er Jahren begannen norwegische und britische Robbenjäger damit, Döglingen (auch Enten- oder Schnabelwale genannt) nachzustellen. Auch wenn diese Tiere nicht zum wichtigsten Beutegut jener Fangreisen zählten, waren sie doch eine willkommene Ergänzug zu den Robbenfängen.

Bilder aus dieser Zeit zeigen deutlich, dass die Döglings-Schulen mit Harpunenkanonen gejagd wurden, wobei sowohl direkt vom Bug der Mutterschiffe als auch von Ruderbooten aus geschossen wurde. Das Harpunieren vom Großschiff aus setzte sich schließlich wegen seiner Vorzüge für die Jäger durch und hat sich bis in unsere Tage nicht mehr wesentlich verändert.




Fotos (von oben): IMSI Masterphotos, USA; Jens F. Ehrenreich (Illustrationen: Harpunen, Gemälde und Karte);© pxcom/visipix.com; IMSI Masterphotos, USA